Es ist nun fast einen Monat her, dass die neuen Verordnungen zur Bekämpfung des Coronavirus eingeführt wurden. Seit dem 22. März trat diese für ganz Sachsen in Kraft. Für die meisten Menschen bedeutete dies Einschränkungen. Die Polizei hingegen bekam scheinbar erweiterte Rechte. Sie erhielt einen großen Spielraum für willkürliche Einsätze, da die Verordnung keine klaren Vorschriften enthielt, die durchgesetzt werden sollten. Menschen wurden kontrolliert und mussten einen „triftigen“ Grund nennen, warum sie zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Straße waren. Wenn sie es nicht schafften, die Polizei zu überzeugen, mußten sie eine Strafe zahlen. Die Spielregeln waren verwirrend, sie verwandelten die Gesellschaft in ein schlechtes Theaterstück, in dem die Menschen ihre schauspielerischen Talente übten, um die Polizei davon zu überzeugen, sie gehen zu lassen. Somit waren kontrollierte Personen der Polizei ausgeliefert, die Entscheidung lag ganz allein bei der subjektiven Meinung einzelner Polizist*innen.
Das Verbot, „ohne Grund“ nach draußen zu gehen, ist mittlerweile aufgehoben. Wir wollen die Gelegenheit nutzen, uns die Berichterstattung der Polizei über ihre eigenen Aktivitäten selbst anzusehen, um anhand der Zahlen zu verstehen, was in den letzten Wochen in Dresden und Leipzig geschah.
Es gibt keine eindeutigen Informationen weder auf der Website des Innenministeriums noch der sächsischen Polizei, allerdings haben die regionalen Polizeidienststellen seit der Einführung der Quarantänemaßnahmen eine Art Statistik veröffentlicht.
Zum Beispiel berichtete die Dresdner Polizei bereits am 24. März, dass es an diesem Tag 57 Kontrollen gab, nannte aber keine Informationen über die Anzahl der Personen, die Geldstrafen erhielten. Später wurden die Informationen zwar detaillierter, genauen Zahlen wie viele Personen kontrolliert, mit einer Geldstrafe belegt oder angeklagt wurden, gibt es jedoch nicht. Für die Wochenenden meldete die Dresdner Polizei nur die Zahl der erhobenen Verstöße, nicht aber die Zahl der kontrollierten Personen. Außerdem wurden in der einen Woche die Berichte täglich mit einer Zusammenfassung am Freitag gegeben, während in den anderen Wochen an bestimmten Tagen Daten fehlten. Für mindestens zwei Wochen gab es keine tägliche Aktualisierung, sondern nur eine wöchentliche Zusammenfassung. Insgesamt gab es bis zum 17.04.2020 1055 gemeldete Kontrollen mit 498 registrierten geringfügigen oder strafbaren Vergehen (in beiden Fällen ist nicht angegeben, wie viele Personen betroffen waren).
Die Polizei Leipzig hingegen machte während dieser 4 Wochen tägliche Aktualisierungen. Sie berichtete über die Anzahl der Polizeieinsätze im Zusammenhang mit der Coronaquarantäne. Laut den veröffentlichten Informationen gab es im gleichen Zeitraum 1175 Polizeikontrollen in Leipzig und Umgebung. Aus diesen Informationen geht nicht hervor, wie viele Personen in jedem Fall kontrolliert wurden. Es ist auch nicht klar, wie genau die Polizei mit diesen Zahlen umgeht. Zum Beispiel schrieben sie am ersten Tag des Berichts, dass es über 30 Polizeieinsätze gab. Für die Statistik ist es also schwer zu verstehen, was von der Polizei wie gezählt wird. Und obwohl es tägliche Berichte über die Zahl der Kontrollen gab, wurden keine Informationen über die Zahl der Personen, die wegen geringfügiger und strafrechtlicher Vergehen angeklagt wurden, veröffentlicht. Diese Informationen wurden überhaupt nicht an die Öffentlichkeit gegeben.
Es ist uns klar, dass die verschiedenen Polizeidienststellen nicht die Absicht hatten, einen transparenten Bericht über ihre Aktivitäten während der Zeit des Ausgangsverbots vorzulegen. Die Berichte zeigen, dass bestimmte Informationen, ob mit Absicht oder nicht, der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht werden. Informationen, die an die Öffentlichkeit gegeben werden, sind in vielen Fällen nicht systematisch und können kein richtiges Bild von dem vermitteln, was vor sich geht. Es scheint ausserdem nicht so zu sein, dass es ein bestimmtes System oder Richtlinien gibt, die der Polizei bei der Meldung ihrer Aktivitäten vorgegeben wurden.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Zahlen, die wir aus den polizeilichen Berichten erhalten, niedriger sind, als die in der Realität durchgeführten Kontrollen. Aber selbst mit den vorhandenen Zahlen sehen wir am Beispiel von Dresden ein großes Ausmaß an Kontrollen und verhängten Strafen. Hinzu kommt, dass innerhalb dieser Zahlen derzeit nicht klar ist, wie viele dieser Fälle „Improvisation“ der Polizei waren („kein Sitzen auf der Bank“) und wie viele Fälle tatsächlich gegen die Quarantänevorschriften verstoßen haben.